Freitag, 13. November 2009

Magisterarbeit "Die musikalischen Paramter der Gruppenimprovisation in den frühen 1970er Jahren"

Meine Arbeit zur Erlangung des ersten Akademischen Grades Magister Artium für Musikwissenschaft ist online unter stephanziron.de in der Rubrik Lesen - Wissenschaftliche Arbeiten verfügbar.

Die musikalischen Paramter der Gruppenimprovisation
in den frühen 1970er Jahren

Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis

  • Improvisation - Eine Einführung:
    Terminologie
    Komposition versus Improvisation - Begriffswandlung und Bemühungen um Ausgleich im 20. Jahrhundert
    Gruppenimprovisation
    Zum Prozessaspekt in der Gruppenimprovisation
    Die Interaktion in der improviserenden Gruppe
  • Instant Composer Pool und seine Musiker
  • Höranalyse - Groucomposing II
    Die Rolle des Rhythmus, der Melodie und des Zusammenklangs in der Gruppenimprovisation

Einleitung

„Melodie ist das, was immer vermißt wird“ - Hanns Eisler

Die Improvisation begegnet dem Menschen tagtäglich. Trotz aller Planungen muss er mehrfach spontan entscheiden und damit eine Situation in die eine oder in die andere Richtung lenken. Zwar sind wir bemüht unser Leben so zu gestalten, dass alles nach unserem inneren Plan verläuft, jedoch gelingt dies nicht immer. Somit ist die Fähigkeit spontan verschiedenste Entscheidungen zu treffen, angeboren und eine unserer wichtigsten.

In der Musik hat das Improvisieren bereits in frühesten Zeiten seinen festen Platz. Spontane Musikerfindung, ob allein oder in der Gruppe, ist nach wie vor ein entscheidender Motor in der Musikgeschichte. Wie auch im Alltag eines Menschen, ist die Improvisation eine Grundlage, um Situationen zu meistern und Neues zu schaffen. Ohne das Musizieren aus dem Stegreif hätten keine Grundlagen für soziales Handeln, mit dem die Musikausübung eng verknüpft ist, geschaffen werden können. Doch wenn Plan und Spontaneität in der Musik die Analogie zur Komposition und Improvisation rechtfertigen, dann ist die Gegenüberstellung beider Phänomene einerseits eine gefestigte Polarität. Andererseits stellt sich die Frage, wie und wodurch Komponist und Improvisator im Laufe der Musikgeschichte derart gegenüber gestellt wurden. Wenn von Improvisation in der Musik die Rede ist, wird sehr schnell die Verbindung zum Jazz hergestellt. Mit dieser Arbeit soll gezeigt werden, dass die Improvisation nicht nur in diesem Musikgenre einen hohen Stellenwert besitzt, sondern auch in einem musikalischen Bereich praktiziert wird, der nicht mit dem Etikett 'Jazz' belegt ist.

Die vorliegende Arbeit ist dreigeteilt in einen einführenden Theorie- und Geschichtsteil, einer Höranalyse und einem Fazit, in dem Schlussfolgerungen aus der Verbindung von Theorie und Analyse gezogen werden. Zu Beginn dieser Arbeit wird in den Begriff, der Theorie und Geschichte der Improvisation eingeführt. Dabei stehen zunächst terminologische Aspekte im Mittelpunkt. Die Etymologie ist nicht nur der Zugang zum Sprachgebrauch, sondern auch zur Rolle der spontanen Musikerfindung in der Musikgeschichte, welches ferner gezeigt werden soll. Dabei wird die musikgeschichtliche Entwicklung nachvollzogen, die zu einer Gegenüberstellung von Komposition und Improvisation geführt hat.

Ernest T. Ferand beschäftigte sich in seinem Buch 'Die Improvisation in der Musik' eingehend mit der Kategorisierung von Improvisation und deren historischer Entwicklung. Basierend darauf soll geklärt werden, welcher von Ferand beschriebenen Improvisationsarten die Gruppenimprovisation der frühen siebziger Jahre zuzuordnen ist. Des Weiteren werden die musiksoziologischen Begriffe 'Interaktion' und 'Prozess' in die Analyse einbezogen. Inwiefern sie eine Rolle im gemeinsamen improvisieren spielen und ob sie anhand der Tonsatzparameter identifiziert und nachvollzogen werden können, soll beleuchtet werden.

Als Beispiel hierfür dient im Analyseteil das Stück Groupcomposing II der niederländischen Improvisationsgruppe Instant Composer Pool, das 1970 in Rotterdamm aufgenommen wurde. Die siebziger Jahre sind geprägt durch die Kunstbewegungen Fluxus und Happening, die Kunst nicht abgekoppelt von den Rezipienten betrieben, sondern das Publikum aktiv mit einbezogen und damit zu einem gesamtmenschlichen und -gesellschaftlichen Handeln erheben wollten. Die Gruppenimprovisation ist nur ein Teil dieser Bewegung. Eine Aufnahme des Stücks befindet sich im Anhang der Arbeit. Die Gruppe und ihre Mitglieder werden in Kurzportraits vorgestellt.

Neben der Einordnung in die Improvisationsarten soll mit dieser Arbeit schließlich geklärt werden, ob und wie die im schriftlich fixierten Tonsatz verwendeten Parameter Melodie, Rhythmus und Zusammenklang in der Gruppenimprovisation der frühen siebziger Jahre Verwendung finden. Dazu wird das Analysestück auf diese Aspekte hin mittels einer Höranalyse und der Erstellung einer Hörpartitur untersucht. Finden sich Melodien, Themen oder Motive in der Gruppenimprovisation? Gibt es ein einheitliches Gesamtmetrum, an dem sich die Musiker orientieren? Wie wirken die Instrumente auf einander und im Zusammenspiel und welchen Stellenwert hat er in der gemeinsamen spontanen Musikerfindung? Des Weiteren soll herausgefunden werden, ob die Gruppenimprovisation von den Musikern bewusst oder unbewusst strukturiert wird. Wenn es eine Strukturierung gibt, welche musikalischen Mittel und Tonsatzparameter werden verwendet?

Hanns Eisler begegnet mit seiner zu Beginn zitierten Aussage der Frage nach dem Stellenwert der Melodie in einem Werk, also eines der Tonsatzparameter. Im Fazit wird die Verbindung zwischen den eingangs formulierten Fragen und den Ergebnissen und Problemen der Höranalyse des Beispiels einer Gruppenimprovisation in den frühen siebziger Jahren aufgezeigt.

Die Forschungen auf dem Gebiet der Improvisation erschöpfen sich zu Teilen meist im etymologischem, terminologischem Bereich, welche sich meist auf ältere Erkenntnisse stützen. Zwar schuf Ferand mit seinem Buch eines der Standartwerke, jedoch folgte nach der Publikation keine vergleichbare in diesem Umfang. Wenige Ansätze findet man in der Musiksoziologie und -psychologie. Wenn die Improvisation jedoch als Grundlage für jegliche Musikausübung verstanden werden kann, ist die Relevanz des Themas um so höher. Um diese Relevanz zumindest im Ansatz zu stützen, ist diese Arbeit entstanden. Denn wie gezeigt wird, ist die Improvisation in ihren verschiedenen Formen eines der bedeutendsten Phänomene der Musikgeschichte für Musikpraxis wie für die Musikwissenschaft.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen